
Kasachstan will seine Beziehungen zu Deutschland intensivieren. Daher kam eigens der Präsident des Landes nach Berlin, um eine Reihe von Verträgen mit Forschungsinstituten und Vertretern der Wirtschaft zu unterzeichnen. Das zentralasiatische Land bietet derzeit gute Investitionschancen
Das Deutsch-Kasachischen Wirtschaftsforum im Oktober und der offizielle Staatsbesuch von Präsident Kassym-Shomart Tokajew im Dezember führten zum Abschluss zahlreicher Verträge mit deutschen Firmen und Institutionen. Können Sie hierzu für die Leser von der WELT Stellung nehmen?
Kasachstan betrachtet Deutschland als wichtigsten Partner in Europa. Deshalb besuchte Präsident Kassym-Shomart Tokajew Berlin als erste europäische Hauptstadt. Wir sind mit den Ergebnissen des Besuchs sehr zufrieden. Erstens haben wir inhaltsreiche und vertrauensvolle Gespräche mit dem Bundespräsidenten Steinmeier und der Bundeskanzlerin Merkel geführt. Zweitens haben der Präsident und seine Delegation Gespräche mit Vertretern der deutschen Wirtschaft geführt und über die Investitionsmöglichkeiten und Sonderbedingungen für deutsche Unternehmer gesprochen.
Drittens wurden im Rahmen des Besuchs 28 Dokumente unterzeichnet, davon sieben Handelsabkommen im Gesamtwert von 2,1 Milliarden Euro. Die unterzeichneten Vereinbarungen sollen die Kooperation in folgenden Bereichen vertiefen: Umweltschutz, Green Economy, Erneuerbaren Energien, Finanzwesen, Öl- und Gasindustrie, Landwirtschaft und Geologie. Im Landwirtschaftssektor haben wir die Fortsetzung des seit 2009 bestehenden Deutsch-Kasachischen Agrarpolitischen Dialogs vereinbart. Im Rahmen dieses Dialogs funktioniert erfolgreich im Norden Kasachstans das Deutsch-Kasachische Agrarzentrum (DAZ), das die kasachischen Landwirte berät und ausbildet. Im Bereich der Energieeffizienz einigten sich das Internationale Zentrum für grüne Technologien in Nur-Sultan und die Renewables Academy AG (RENAC) über eine Zusammenarbeit im Bereich der Energieeffizienz und der Erneuerbaren Energiequellen. Unsere Republik will bis 2025 den Anteil an erneuerbaren Energien in der Stromproduktion von derzeit 1% auf 6% ausbauen. Für die Nutzung solcher Energiequellen erstattet unser Staat jeden Stromverbraucher 50% seiner Kosten für den Erwerb von Anlagen mit einer Leistung bis 5 kW. Diese Maßnahme soll vorwiegend landwirtschaftliche Betriebe und andere Verbraucher in ländlichen Gebieten unterstützen. Deutsche Firmen können sich dies zunutze machen, indem sie ihre Anlagen verkaufen und die Wartung übernehmen.
Bei der Forschungsförderung arbeiten wir eng mit der Fraunhofer Gesellschaft zusammen. So vereinbarte das Kasachische Zentrum für Industrie und Export mit ihr eine Kooperation bei der wissenschaftlichen und angewandten Forschung und der technologischen und innovativen Modernisierung der verarbeitenden Industrie. Es gibt auch kommerzielle Verträge zwischen den Unternehmen. So haben Knorr-Bremse und Alstom Kasachstan eine umfassende Servicevereinbarung getroffen. Knorr-Bremse wird bis 2051 die Bremssysteme von etwa 300 Lokomotiven der staatlichen kasachischen Eisenbahngesellschaft KTZ instand halten.
Kasachstan ist das neuntgrößte Land der Welt und die Bahn ist bereits heute das gängigste Verkehrsmittel. Knapp die Hälfte aller Güter (47,2 %) wird in Kasachstan per Schiene transportiert. Als Teil des Transsibirischen Eisenbahnkorridors gehört Kasachstan zu den wichtigsten Transitländern der Region. Darüber hinaus spielt das Land eine zentrale Rolle für das chinesische Projekt der „Neuen Seidenstraße“. Wir haben die erste Etappe des staatlichen Infrastrukturprogramm Nurly Zhol erfolgreich realisiert. Für die zweite Etappe sind allein für die Jahre 2019-2020 Projekte für jeweils etwa 300 Millionen US$ geplant. Finanziert werden die Vorhaben im Wesentlichen über Eigenmittel der Kasachischen Eisenbahn (etwa 160 Millionen US$) und aus Geldern des Staatshaushaltes (120 Millionen US$). Wir verfolgen die ambitionierte Strategie bis Endes 2020 den Containertransit über kasachisches Territorium auf 2 Millionen Standardcontainer (TEU) im Vergleich zu 2016 zu verachtfachen. Um die eigene Konkurrenzfähigkeit zu erhöhen, unterzeichnete die kasachische Eisenbahn einen Zweijahres-Vertrag mit der Deutschen Bahn Engineering & Consulting zur Unterstützung bei der Unternehmensentwicklung und der Modernisierung der Ausrüstung. Die Hauptinvestitionsbereiche in Kasachstan sind auch Baustoffindustrie, erneuerbare Energien, Transport und Logistik, Digitalisierung, Maschinenbau, Tourismusbranche, Lebensmittelproduktion, Landwirtschaft und Textilindustrie.
Über die letzten 14 Jahre haben deutsche Unternehmen mehr als fünf Milliarden US-Dollar in Kasachstan investiert. Hier besteht jedoch weiterhin Raum für Verbesserungen, wohl auch ein Grund für die Initiation dieser ‚Verstärkten Zusammenarbeit‘. Wieso wurde gerade Deutschland als der wichtigste EU-Partner für diese Initiative auserkoren?
In den letzten Jahren hatten wir eine gewisse Stagnation in den bilateralen Handels- und Wirtschaftsbeziehungen, insbesondere im Investitionsbereich. Indem wir das Problem der Exportkreditgarantien „Euler-Hermes“ gelöst haben, haben wir die Hindernisse beseitigt. Beim Treffen in Berlin betonte Präsident Tokajew, dass die wirtschaftliche Zusammenarbeit der beiden Länder die Hauptbotschaft seines Besuchs war. Allerdings belegt Deutschland – obwohl es die viertgrößte Volkswirtschaft der Welt ist- im Ranking der Investoren-Länder nur den 12. Platz, was unter unseren Erwartungen liegt. Von besonderem Interesse ist der Ausbau der deutsch-kasachischen Investitionszusammenarbeit in den Bereichen Produktion, Technologien, verarbeitende Industrie und Nicht-Rohstoffexport. Wir sind bereit, alle Voraussetzungen zu schaffen, damit Deutschland mittelfristig zu den fünf führenden Investoren in die Wirtschaft der Republik Kasachstan gehört. Das ist unser Ziel.
Einige der angesprochenen Investitionsmöglichkeiten waren die Green Economy, Wassermanagement, Tourismus und Nachhaltigkeit. Bitte beschreiben Sie die Signifikanz dieser Bereiche
Um sich von der Rohstoffabhängigkeit zu befreien, hat Kasachstan die Modernisierung und Industrialisierung der Binnenwirtschaft in Angriff genommen. Die Grundlage der neuen Politik ist die Etablierung einer Basis für industrieinnovative und „grüne Wirtschaft“. Die Abhängigkeit vom Rohstoffexport soll zudem über eine stärkere Förderung der verarbeitenden Industrie und wissenschaftsintensiver Hightech-Branchen überwunden werden. Wettbewerbsfähige verarbeitende Industrie auf dem In- und Auslandsmarkt ist das Hauptziel der industriellen und innovativen Entwicklung Kasachstans. In diesem Zusammenhang laden wir deutsche Unternehmen ein, in die Umsetzung interessanter Projekte zu investieren. Zu diesem Zweck bieten wir spezielle Paketlösungen an.
Wir stellen den deutschen Unternehmen Standorte in den Sonderwirtschaftszonen und Industriegebieten zur Verfügung.
Auch der Direktinvestitionsfonds Kasachstans mit einem Kapital von einer Milliarde US-Dollar könnte ein direkter Partner bei der Umsetzung gemeinsamer Projekte werden. Zurzeit importiert Kasachstan etwa 82% der gesamten Kleidung und Baumaterialien, 35% der Lebensmittel, 23% der landwirtschaftlichen Erzeugnisse usw. Es ist uns bewusst, dass die Produktion von Gütern des täglichen Konsums sowie die Schaffung wettbewerbsfähiger Industrien weiterentwickelt werden müssen, deswegen widmen wir der „Wirtschaft der einfachen Dinge“ (economy of simple things) besondere Aufmerksamkeit. In diesem Rahmen soll die Produktion von inländischen Produkten bis 2025 um das 2,5-fache gesteigert werden.
Aufgrund ihrer Erfahrung und Technologien laden wir deutsche Unternehmer ein, sich aktiv in diesem Bereich zu engagieren. Kasachstan ist ein bedeutender Markt mit seinen mehr als 18,6 Millionen Einwohnern mit einem Pro-Kopf-BIP von mehr als 27.000 US-Dollar bezogen auf KKP (Kaufkraftparität). Im Großen und Ganzen führt die kasachische Regierung gerade beispiellose Systemreformen durch, um das Geschäftsklima zu verbessern, administrative Hemmnisse und Kosten für Unternehmen zu verringern und die staatlichen Kontroll- und Überwachungsaktivitäten zu reduzieren.
Infolgedessen belegte Kasachstan im „Doing Business-Ranking“ der World Bank den 25. Platz vor Ländern wie Österreich, Japan, Island, Spanien und Russland (Deutschland hat den 22. Platz inne). Die günstige geografische Lage und eine vernünftige Außenwirtschaftspolitik ermöglicht einen bequemen Zugang zu Märkten der Nachbarländer, in denen mehr als 500 Millionen Menschen in unmittelbarer Nähe unserer Grenzen leben. Kasachstan ist ein wichtiger Verkehrsknotenpunkt zwischen Ost und West. In den vergangenen zehn Jahren hat Kasachstan 30 Milliarden US-Dollar in die Verkehrsinfrastruktur investiert, und in den nächsten 6 Jahren investieren wir weitere 40 Mrd. US-Dollar. Das Ziel ist, Kasachstan als Verbindungsachse verstärkt in den Transportkorridor zwischen China und Europa einzubinden. Hier sind der Trockenhafen Khorgos an der Grenze zu China und die Häfen Aktau und Kuryk am Kaspischen Meer zu nennen.
Wir haben den Bau der 900 km langen Eisenbahnverbindung Kasachstan-Turkmenistan-Iran abgeschlossen. Jetzt verbindet sie die zentralasiatischen Länder mit dem Persischen Golf. Der internationale Transitkorridor „Westeuropa – Westchina“ ermöglicht eine Verkürzung der Transportzeit von chinesischen Häfen zur Ostsee auf 15 Tage. Der Wassertransport würde drei- bis viermal länger dauern. In diesem Jahr wurde ein Rekord für den Transport von Waren aus dem chinesischen Xian nach Deutschland aufgestellt – sie wurden in nur zehn Tagen geliefert.
Während des Staatsbesuchs hat Kanzlerin Merkel verkündet, dass Deutschland wieder Bürgschaften und Garantien für Unternehmen ausstellen kann. Damit können deutsche Exportkredite nach Kasachstan abgesichert werden. Welche Erwartungen haben Sie für diese Vereinbarung?
Das im Jahr 2019 unterzeichnete Rahmenabkommen „Euler-Hermes“ sieht Versicherungsschutzvolumen der deutschen Exportgeschäfte für die Republik Kasachstan in Höhe von einer Milliarde Euro vor. Das eröffnete Versicherungsschutzvolumen erlaubt es, mehr deutsche Investitionen in die Wirtschaft anzulocken.
Kasachstan rangiert derzeit auf Platz 25 des ‘Doing Business Reports 2020‘ der Weltbank, noch vor China, Brasilen und Russland. Bitte beschreiben Sie die kasachischen Bestrebungen das attraktivste Geschäfts- und Investitionsklima in der Eurasischen Region zu etablieren.
Der Anlegerschutz ist eng mit der Schaffung eines günstigen Geschäftsklimas in Kasachstan verbunden. Seit der Unabhängigkeit sind wir bestrebt, die Führung der Geschäfte im Land so weit wie möglich zu vereinfachen. In dieser Hinsicht haben wir einige wichtige Ergebnisse erzielt. Im „Doing Business-Ranking“ der Weltbank für das Jahr 2019 stieg Kasachstan um weitere drei Plätze auf den 25. Platz und übertraf hiermit viele der weltweit führenden Volkswirtschaften – nicht nur China, Brasilien und Russland, sondern auch Frankreich, Polen, die Türkei und die Niederlande.
In den Jahren der Unabhängigkeit hat unser Land ausländische Direktinvestitionen in Höhe von 335 Mrd. USD erhalten. Wir haben systematisch eine attraktive Investitionsumgebung aufgebaut, um ausländisches Kapital und Technologien anzuziehen.
Seit 20 Jahren ist der direkt beim Präsidenten angesiedelte Rat ausländischer Investoren tätig, an dem auch Vertreter deutscher Unternehmen wie Knauf, die Deutsche Bank oder Metro Cash & Carry beteiligt sind. Es wurde die Institution des Investment-Ombudsmanns gesetzlich verankert – diese Funktion wird vom Premierminister des Landes ausgeübt. Die jüngsten Reformen haben darüber hinaus den bürokratischen Aufwand verringert. Die Gründung eines Unternehmens in Kasachstan dauert z.B. nur fünf Tage und die Registrierung der Immobilien – nur drei Tage.
Der Geschäftsführer der Knauf Gruppe, Manfred Grundke sieht beispielsweise das Investitionspotential in dem heutigen Kasachstan als überaus positiv. Warum sollten deutsche Investoren Ihr Land als Tor zu Zentralasien sehen?
Unser Präsident Tokajew beauftragte nach seinem Besuch in Deutschland die Einrichtung eines Beratungsgremiums zur Stärkung unserer Investitionsbeziehungen. Durch die Implementierung eines effizienten Projektmanagements hoffen wir, in kürzester Zeit gute Ergebnisse zu erzielen. Auch der zweite Besuch des Präsidenten der Republik Kasachstan, Tokajew, in München sowie die regelmäßigen Besuche des Vizepremiers, Roman Sklyar, in Deutschland geben zusätzliche Impulse für die Verbesserung der Zusammenarbeit zwischen unseren Ländern.
Für deutsche Unternehmen bietet sich die einmalige Gelegenheit, ein für beide Seiten vorteilhaftes Geschäft zu starten. Willkommen in Kasachstan!